Einstellungsgrößen
Einstellungsgrößen in Filmen
Einstellungsgrößen
Der Mix aus Einstellungsgrößen erlaubt es unserem Zuschauer sich zum einen auf unseren Protagonisten zu konzentrieren und mit ihm mitleben zu können, zum anderen sich in unserer Umwelt zu orientieren.
Hier als Beispiel eine Nahe:
Wir sehen unsere Protagonistin, sie ist jung, weiblich, es ist Nacht, im Hintergrund viele Lichter, ein Bus, wir sind auf einer Straße, vermutlich eine Stadt.
Aber wie groß diese Stadt ist, ob die Straße eigentlich eine Brücke oder ein Parkplatz ist erkennen wir nicht.
Unterm Strich: wir könnten mit unserer Protagonistin mitleben, aber wir haben nur eine wage Ahnung wie unsere Umgebung aussieht.
Jetzt schneiden wir in eine totalere Einstellung:
Wir können uns plötzlich orientieren: Sie steht auf einer Brücke, darunter ist Wasser, dahinter hohe Häuser. Die Stadt sieht nicht klein aus, aber wie groß sie tatsächlich ist oder wie sie aussieht wissen wir noch nicht.
Wieder ein Schnitt, wir sind noch Totaler:
Jetzt sehen wir die ganze Stadt, sie ist groß, es ist keine Vorstadt, keine kleine Stadt, es ist eine Stadt mit Lichtern bis zum Horizont.
Wenn man sich jetzt die Bilder nochmal verkehr herum (also hochscrollend) ansieht, hat man einen typischen Hollywood-Etablierer.
Bei der Wahl der richtigen Einstellungsgröße spielt das Zielmedium eine wichtige Rolle. Ob ein Smartphone, Youtube-Fenster, Computer Monitor, Leinwand oder eine IMAX, auf allen Medien könnte unser Film gezeigt werden. Welche Details man dann in einer Totalen sieht zeigt das folgende Beispiel:
Man sieht den dezenten Größenunterschied. Das bedeutet für uns, wenn wir fürs Kino drehen, können wir viel Totaler bleiben als bei einem TV-Film. Darauf müssen wir schon beim Dreh achten und umdenken! Am Set haben wir selten einen 50m² Kamera-Monitor, eher ca. 0,009m².
Zwar sind wir beim Framing an keine Gesetze gebunden, doch haben sich über die Jahrzehnte der Filmgeschichte einige fixe Einstellungsgrößen etabliert:
Extrem wide shot/Extrem Totale
Orientierung ist ein wichtiges Thema für Kamera und Schnitt. Ohne Orientierung weiß der Zuschauer nicht in welcher Welt/in welchem Raum er sich befindet, sind wir am Land, in der Stadt, auf der Erde oder auf einem ganz anderen Planeten.
Damit wir nicht zu jedem Film einen Orientierungsplan beifügen müssen, nutzen wir „Totalen“ um dem Zuschauer die Welt zu zeigen.
Hier die Totale aus unserem Beispiel, wir sehen keine Personen, keine Autos, nur Lichter und etablieren so die Stadt/die Welt in der sich unser Protagonist bewegt:
In diesem Bild kann der Zuschauer seinen Blick wandern lassen und eine Beziehung zur Umgebung aufbauen.
Very wide Shot/Super Totale
Das Hauptaugenmerk liegt auf der Umgebung, der Protagonist ist nebensächlich und daher zwangsläufig sehr klein im Bild. Ebenfalls eine häufig genutzte Establishing-Größe.
Wieder aus unserem Beispiel, eine Brücke, darauf Fahren Autos und ein Radfahrer, wir sind sichtlich in einer Stadt:
Hier sind wir konkreter, zwar hat man noch die Möglichkeit die Umwelt zu erkennen, aber das Hauptaugenmerk sind die Laternen auf der Brücke. Hier soll der Zuschauer hinsehen.
Wide Shot/Totale
Der Protagonist und die Umgebung werden gleichermaßen abgelichtet. Man erkennt die Umgebung und den Protagonisten sowie seine Beziehung zur Location. Sprich, wo sie innerhalb der Location gehen/sitzen/laufen/stehen/etc.
In diesem Beispiel, wir sind auf einem Friedhof am Land, ein großes Kreuz steht vor einem Grab, unser Protagonist ist Männlich, trägt einen Anzug, geht auf das Grab zu. Wir erzeugen ein Frame in Frame in dem unser Focal Point plaziert ist:
Ein weiteres Beipiel: Wir sind unter einer Brücke an einem Fluss, in einer Stadt. Unser Protagonist sitzt mit 3 weiteren Personen unter einer Brücke:
Wieder ein Frame in Frame:
Full Shot/Halbtotale
Der Protagonist wird von Kopf bis Fuß gezeigt, eine typische Etablierer-Einstellung für Personen. Das Hauptaugenmerk ist der Protagonist, die Umgebung um den Protagonisten ist sichtbar aber zweitrangig:
3/4 Shot/Amerikanische
Zeigt den Protagonisten vom Kopf bis zu den Oberschenkeln, um genauer zu sein, bis zum Coltende.
Diese Einstellung kommt aus dem Western, wo es wichtig ist, den Colt und das Gesicht beim Duell möglichst groß im Bild zu haben.
In dieser Größe erkennt man die Körpersprache. Je nach Größe des Fernsehers/Leinwand kann man auch die Mimik des Protagonisten erkennen und gleichzeitig die Umgebung einfangen:
Medium Shot/Halbnahe
Der Protagonist wird bis zur Gürtellinie gezeigt. Man erkennt die Mimiken auch auf mittelgroßen Monitoren :
Medium Close-Up/Nahe
Das Bild geht bis zu Brust, man erkennt selbst auf kleineren Monitoren Details in der Mimik:
Close-Up
Die Priorität des Bildes liegt auf dem Gesicht, die Schultern kann man zeigen oder darauf verzichten. Wir erkennen die Mimik selbst auf Smartphones:
Extreme Close Up/Detail
Nur ein Detail eines Körpers wird im Bild gezeigt. Hier wird der Blick des Zuschauers auf ein bestimmtes Objekt fokussiert:
Bei Close-Ups kann es schnell passieren, dass man das Make-Up oder sonst „unsichtbare“ Fehler auf der Oberfläche eines Objektes sieht.
Sehr ungünstig ist hier die Kombination: hartes Licht plus ultrascharfe Linse.
Specials
Im Laufe der Zeit haben sich diverse „special“ Einstellungen etabliert, die weit verbreitet sind:
Italien
Ein „Extreme Close Up“ in dem beide Augen bildfüllend zu sehen sind:
Top Shot
Wie der Name schon sagt, schauen wird in diesem Shot von Oben gerade hinunter:
Two-/Tree-/Four-Shot
Bestimmt wie viele Personen gleichwertig im Bild sind. Hier als Beispiel mehrere Two-Shots:
Over-the-Shoulder (OTS)
Hierbei schneiden wir die Schulter (oder mehr) des Gesprächspartners an. Dadurch fühlt man sich dem Gesprächpartner mehr Verbunden, zudem erhält man durch den Vordergrund mehr Tiefe im Bild:
Point-of-View (POV)
Die Kamera wird so positioniert als sehe sie durch die Augen des Protagonisten.
Hier gibt es zwei verschiedene Varianten:
Zuerst den klassischen POV, in dem die Kamera sozusagen der Protagonist ist:

Dieses Gemälde ist vielleicht der erste POV der Bildgeschichte, mehr dazu in Ludwig Drahoschs Artikel „Was ist Licht“
In einem POV kann sehr leicht die vierte Wand und somit eine der Grundregeln des Filmes gebrochen werden. Die Protagonisten sehen den Zuschauer direkt an, sprich sie sehen in die Kamera, sprechen mit der Kamera, interagieren mit der Kamera.
Oder eine Einstellung, die sich erst durch den Schnitt als POV offenbart, hier zu sehen in einem simplen Beispiel:
Wir sehen einen Spiegel. Dieser Shot könnte ein ganz normaler Shot sein, er müsste nicht ein POV sein.
Doch mit der folgenden Einstellung wird er zum POV:
Nach dem Schnitt wissen wir, dass wir gerade die Sicht der Protagonistin gesehen haben.
Clean-Shot vs. Dirty Shot
„Vordergrund macht Bild gesund“
Um sich technisch auszudrücken: Clean-Shots sind Einstellungen ohne Vordergrund, Dirty-Shots haben, so wie z.B. Over-the-Shoulder Shots, ein Objekt im Vordergrund.
Hier als Beispiel, zuerst ein Clean-Shot, dann einen Dirty-Shot (in unserem Beispiel ein OTS):